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Indien

Aus Torsten Schlüters Reisenotizen von 1997: 
„Ankunft in Bombay, Mumbai, wie die 25 Millionenstadt heute wieder offiziell heißt. Inzwischen ist für mich dieses Tor nach Indien so etwas wie ein vertrauter Moloch. Wieder wartet eine lange Busfahrt. Abenteuerliches Vorgeplänkel. Ich bezahle einen Fahrschein. An Stelle eines Tickets gibt man mir eine provisorische Quittung. Nachdem ich mir im Bus einen Platz gesucht habe, wird diese wieder eingesammelt. Nun gar nichts mehr in der Hand, fordert man mich zum Aussteigen auf. Nach heftigem Protestieren erhalte ich eine abgegriffene Visitenkarte, auf deren Rückseite eine handgeschriebene 35 vermerkt ist. Zufällig sitze ich genau auf Platz Nr. 35. Der Bus fährt die Nacht hindurch, begleitet von 16 Stunden langem Dauergehupe und indischen Schlagern in Maximallautstärke aus knarrenden Boxen. Das hält nicht nur den Fahrer wach. Endlich ist es geschafft. Ankunft in einem Dorf an der Westküste. Bei einer indischen Familie ein kleines Zimmer gefunden. Man zeigt mir meinen Schlafplatz. Ich krieche unter das Moskitonetz und lasse mich erschöpft in das alte knarrende Eisenbett fallen.“

Brunnenfrauen

Torsten Schlüter beschreibt seine Beobachtungen auf einem indischen Marktplatz in der Nähe des Brunnens:
„Mit gedrehtem Tuchwickel auf dem Kopf, dem Seil in der Hand und einem Krug unter dem Arm warten die Frauen bis ein Platz am Brunnen frei wird. Eine der Frauen beugt sich über den Brunnenrand. Dem entspannten, fast lässigen Herablassen von Seil und Krug folgt ein geschickter Schwenk aus dem Handgelenk, der das Wasser in der Tiefe des Brunnens in den schwimmenden Behälter fließen lässt. Danach beginnt der spannendste Moment das Hinaufholen des Kruges. Ein faszinierendes Accelerando: Zuerst als konzentrierte, ruhige, ziehende, dann als schwungvoll schleudernde und rudernde Bewegung der Arme, die zunehmend den ganzen Körper erfasst, sich seiner bemächtigt und sich dann noch einmal in Tempo und Intensität steigert, bis das Gefäß die Brunnenoberkante erreicht hat. Kaum begonnen, schon vorbei.“

Die Bhistis, die indischen Wasserträger und Brunnenfrauen, sind eines der figürlichen Hauptmotive Torsten Schlüters. Diesen Arbeiten liegen immer wiederkehrende, stundenlange Beobachtungen der Wasserstellen zu Grunde, die dann in Blitzesschnelle parallel zum Vorgang der plözlichen, ruckartigen Seilbewegungen am Brunnen in gleichnishaften Zeichnungen gipfeln. Dies gerade bei glühender Hitze und umgeben von Insektenschwärmen, ein „Liveact“ von ungeheurer Konzentration und höchster innerer Anspannung. Die alltägliche, lebensnotwendige Tätigkeit der Modelle wird erhöht zum Logo, entwickelt sich zum Wahrzeichen fremder Kultur und Lebensweise.

„Die sonst so expressive Handschrift des Künstlers ist in seinen Pastellzeichnungen einer sorgsam, aber großzügig frei gestaltenden Sensibilität des Tonsetzers untergeordnet.“
(Dr. Hans M. Schmidt, Direktor a.D. Rheinisches Landesmuseum)

Wasserbüffel

Unterm Mangobaum, an der Tränke, hinter dem Haus und an der Straße. Stets sind sie dem Künstler ein majestätisches Gegenüber: die indischen Wasserbüffel. Anfangs scharrt solch ein gehörntes Modell wild mit den Hufen. Aus Torsten Schlüters Reisenotizen: „ … doch in der Hitze hält die Aufregung nicht lange an. Fliegen und Moskitos drängeln nach Aufmerksamkeit. Noch ein kräftiges Hufescharren, dann weicht Anspannung wieder innerer Ruhe. …“